• Der Synthesizer Podcast - zur Zukunft von Chemie und Gesellschaft

    Umweltchemie: Zigtausend molekulare Gründe für eine globale Wende

    Chemikalienrückstände lassen sich an den entlegensten Orten der Erde nachweisen. In dieser Folge des Synthesizer Podcast liegt unser Fokus auf Orten, an denen chemische Stoffe unbeabsichtigt weiterwirken, nachdem sie in Laboren entwickelt und in industriellen Fertigungsprozessen oder im Alltag zum Einsatz kamen. Umweltchemiker:innen verfolgen die Spuren chemischer Produktion bis in die Arktis, in den Pazifik, in die Mägen von Pelikanen und das Erbgut von Orkas. 

    Mit neuen Nachweisverfahren und Messmethoden lassen sich chemische Stoffe und ihre Mischungen dort aufspüren, wo sie nicht hingehören, in der Umwelt wechselwirken, zu giftigen Substanzen zerfallen, sich gefährlich mischen, sich nicht abbauen, sondern sich in Körpern, Böden, im Wasser anreichern – mitunter sogar ewig. Das ist kein einfaches Unterfangen, denn die chemische Industrie bringt Hunderttausende Stoffe auf den Markt und zur Anwendung und bereits verbotene Stoffe finden sich bis heute in der Umwelt wieder. 

    Die Umweltchemikerin Prof. Dr. Annika Jahnke ist den Stoffen mit einem Forschungsschiff gefolgt und bringt sie mit Chemometern zurück ins Labor. Sie ist Co-Leiterin des Departments für Expositionswissenschaft (Exposure Science) am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung UFZ in Leipzig, sowie Professorin für Exposom Analytik an der RWTH Aachen. 

    Elektro-Bio-Raffinerie: Die Mikroorganismen der Megatransformation

    Elektro-Bio-Raffinerien – schonmal gehört? In dieser Folge erklärt uns der Elektrobiotechnologe Prof. Dr. Falk Harnisch, was sich hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt. Er berichtet, welche biochemischen Prozesse es in Elektrobioraffinerien zu entdecken gibt und welche sehr speziellen, winzigen Akteure, nämlich ‘elektroaktive’ Bakterien, dabei eine zentrale Rolle spielen. Falk Harnisch und sein Team ‘füttern’ diese Mikroorganismen gezielt mit elektrischem Strom und nutzen ihre Fähigkeit, Abwasser ‘sauber zu fressen’, etwa in Kläranlagen, oder zum Aufbau umweltverträglicher Kunststoffe beizutragen.  

    Die Mikroebene der Bakterien und Elektronen macht die Elektrobiochemie zu einem der faszinierendsten Gebiete der Grundlagenforschung zur Chemiewende – ein echter Schauplatz wissenschaftlicher Synthese aus chemischer, biologischer und verfahrenstechnischer Forschung und Praxis. Auf welche Weise die Prozessprinzipien klassischer petrochemischer Raffinerien neu gedacht werden müssen, lassen wir uns von Falk Harnisch erläutern.

    Prof. Dr. Falk Harnisch ist Umwelt- und Biochemiker. Nach Stationen in Greifswald, Braunschweig, Queensland (Australien) ist er heute Co-Leiter des Departments für Mikrobielle Biotechnologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ Leipzig und Professor für Biochemie und  Biophysikalische Chemie an der Universität Leipzig.

    Von der Alchemie lernen heißt, transformieren lernen

    Chemisches Wissen ist Wissen von Transformationen. Das wichtigste Werkzeug dazu ist das Feuer – sowohl in der modernen Chemie als auch in der vormodernen Alchemie. 

    Die Bedeutung des alchemistischen, oft erstaunlich ganzheitlichen und non-binären Denkens ist in der Wissensgeschichte der Moderne wenig präsent. Dabei bietet gerade diese Tradition mit spannenden kulturellen Wissens- und Stoffgeschichten wichtige Ressourcen, um die Transformation der Chemie weiterzuführen und den engen, nur technischen Radius der Naturwissenschaft zu erweitern.

    Wir können wir die Feuer der fossilen Industrien so gut es geht löschen, ohne die Errungenschaften der chemischen Wissenschaft zu verlieren? Wie können Umweltforschung, Sozial- und Geisteswissenschaften und die Philosophie eine Transformation der Chemie unterstützen? Welche Formen und Foren des Austauschs fehlen uns in dieser Transformation?

    Prof. Dr. Jens Soentgen ist Philosoph, Historiker und ausgebildeter Chemiker. Wie kaum ein anderer in Deutschland forscht und publiziert er in der Verbindung von Chemie, Geschichte und Philosophie. Er ist Leiter des Wissenschaftszentrum Umwelt (WZU) an der Universität Augsburg, Mitbegründer und Herausgeber der Buchreihe ‚Stoffgeschichten‘. Mit seinen eigenen Büchern zum Stickstoff, CO2, zu Wasser, und in mehreren Bänden zur Frage ‚Wie man mit dem Feuer philosophiert‘, erreicht er sowohl akademisch als auch allgemein interessierte, junge und alte Leser:innen.

    KI in der Chemie: Vom Reagenzglas zum Rechenzentrum

    Künstliche Intelligenz (KI) ist überall, auch in der Chemie. Aber wie genau unterstützt die Digitalisierung die Transformation der Chemie? Wohin treiben mathematische Modelle die Wissenschaft von den materiellen Stoffen und Prozessen? Ist wirklich alles innovativ, was digital glänzt?

    In der vierten Folge des Synthesizer Podcasts diskutieren wir mit Prof. Dr. Maria Andrea Mroginski die Herausforderungen und Möglichkeiten der computergestützten Modellierung von Enzymen und deren biokatalytischen Prozessen.

    Die Physikerin und Programmiererin erklärt, warum sie auf diesem Gebiet nur im engen Austausch mit Chemikerinnen und Biologen vorankommt. Im Jahr 2024 wurde der Chemie-Nobelpreis für Forschung in ihrem Arbeitsfeld, der KI-gestützten Vorhersage und Gestaltung von Proteinstrukturen, verliehen. Die gekürten Arbeiten bezeichnet Mroginski als technisch revolutionär, aber nicht unbedingt wissenschaftlich innovativ.

    Maria Andrea Mroginski ist Co-Sprecherin des Exzellenzclusters UniSysCat und Inhaberin des Lehrstuhls für das ‚Modellieren biomolekularer Systeme‘ am Institut für Chemie der TU Berlin.

    Nachhaltig: Mehr als Grüne Chemie

    Im Fokus unseres zweiten Expertengesprächs geht es um ’nachhaltige‘ und ‚grüne Chemie‘ und die Unterschiede der beiden Ansätze. Unser Gast ist Prof. Dr. Klaus Kümmerer, der sich wie kaum ein anderer Chemiker in Deutschland für eine Transformation hin zu einer nachhaltigeren Chemie engagiert. In unserem Gespräch stellt er Fragen, die man von einem Chemiker nicht unbedingt erwarten würde: „Ich muss zuerst fragen: Brauche ich dafür überhaupt eine Chemikalie? Oder geht es vielleicht nicht auch ohne?“ Gleichzeitig macht Klaus Kümmerer klar, dass wir gerade dann auf die Expertise von Chemiker:innen angewiesen sind, wenn weniger Chemikalien produzieren und nutzen möchten. 

    Klaus Kümmerer lehrt und forscht als Direktor des Instituts für Nachhaltige Chemie an der Leuphana Universität in Lüneburg. Er ist Gründungsdirektor des Research & Education Hub am Internationalen Zentrum für Zusammenarbeit im Bereich nachhaltiger Chemie, dem Sustainable Chemistry Collaborative Center (ISC3), Mitglied des High Level Roundtable on the Chemicals Strategy for Sustainability der Europäischen Kommission und Vorsitzender der Green and Sustainable Chemistry Conference, die 2025 zum 9. Mal stattfindet. 2023 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande für seine Leistungen in Forschung und Lehre und zudem den Wöhler Preis für Nachhaltige Chemie der Deutschen Gesellschaft für Chemie.